
Eine Woche vor Beginn der Wiedereingliederung hatte ich ein Vorgespräch bei meinem neuen Teamleiter.
In diesem Gespräch wurde mir sehr deutlich gemacht, was man von mir erwartet und, dass man ein hohes Maß an Flexibilität voraussetzt. Sicher, ich war vor meinem Burnout nicht mehr die Zuverlässigste, dass wusste ich selbst. Doch mit so einem Gespräch hatte ich nicht gerechnet. Aus Arbeitgebersicht ja teilweise verständlich, doch die Art und Weise war schon hart. Es wurde nicht mal im Ansatz nachgefragt, wie es dazu kommen konnte.
Ich wurde 6 Wochen in einem anderen Team eingearbeitet und dort sehr herzlich und offen empfangen. In meinem eigenen Team war davon allerdings nichts zu spüren. Nur ein paar ganz wenige kamen, wenn überhaupt mal auf mich zu. Ich fühlte mich so … unerwünscht! Mit jedem Blick und jeder Äußerung ließ man mich spüren, dass ich hier nicht willkommen bin.
Als Folge hatte ich wieder schlaflose Nächte, konnte nicht essen, verlor 5kg in 3 Wochen. Ich hatte Angst zur Arbeit zu gehen. Wenn ich im Einarbeitungs-Team war, war alles ok, doch sobald ich in mein Team musste, bekam ich Panik.
Ein Missverständnis sorgte dann dafür, dass ich ein weiteres 4 Augengespräch bei meinem Vorgesetzten hatte. Dort wären 2 Welten aufeinander geprallt: sachlich-emotionslos gegen mittelsachlich-temperamentvoll-sehr emotional. Keine wirklich gute Kombi für ein vernünftiges Gespräch! Das war das erste Mal in meinem ganzen Leben, dass ich mich auf ein solches Gespräch vorbereitet habe! Zunächst schrieb ich mir die Dinge auf, die ich zu meiner Verteidigung sagen wollte. Im ersten Entwurf steckte noch sehr viel Emotion. Nach und nach tauschte ich in Zusammenarbeit mit einer außenstehenden Person die Emotionen gegen sachliche Argumente. So fühlte ich mich zumindest vorbereitet auf dieses Gespräch. Und tatsächlich, ich konnte alles sachlich vorbringen, was ich zu sagen hatte, ohne emotionale Ausbrüche. Mein Chef nahm es gut auf und ab diesem Zeitpunkt hatten wir eine vernünftige Basis.
Ich durfte das Team nicht wechseln, sollte allen beweisen, dass nicht stimmt, was über mich erzählt wurde. Also beschloss ich mich wieder mal durchbeißen. Ich stand total unter Beobachtung. Meine fachliche Vorgesetzte, die neben mir saß, hatte den Auftrag mich genau zu beäugen. Jedes Telefonat mit Kunden wurde sofort kommentiert, kritisiert, verbessert. Ich kam mir so blöd vor! Wie ein Azubi, mit Mitte 30, der von nichts Ahnung hat. Das war so UNWÜRDIG! Zu der Zeit begann ich ein Mobbing-Tagebuch zu führen, schrieb mir alles auf. Mit beteiligten Personen, Uhrzeiten und Zeugen. Scheiß Gefühl! An diesem Punkt war ich dann irgendwann soweit, dass mir egal war, ob man mir die Kündigung ausspricht! Fast hätte ich selbst gekündigt! Aber manchmal leben tot-geglaubte eben länger!
Die Einarbeitung war für mich Gold wert, da die Prozesse plötzlich so klar waren. Wo vor der Reha durch Multitasking alles verschwommen wirkte, war jetzt plötzlich klare Sicht! Das war Wahnsinn! Ich konnte dadurch meine Arbeitsabläufe optimieren und war stets fokussiert auf die Sache. Meinen Kollegen, die mich damals ohne jegliche Vorurteile eingearbeitet haben, bin ich bis heute endlos dankbar! Es war wie in dem Film „Ohne Limit“, nur ohne diese Pille.
Zurück in meinem Team ließ ich keinerlei Ablenkung mehr zu. Handy aus, keine Gespräche mit Kollegen, den Fokus nur auf meine Arbeit und die Produktivität. Und schon nach kurzer Zeit erhielt ich positives Feedback. Ich wurde zur produktivsten Kraft in meinem Team und war stolz auf mich wie Bolle, weil ich wieder mal allen das Gegenteil bewiesen hatte. Innerlich konnte ich all meinen Widersachern den Mittelfinger zeigen !!! Jetzt wurde ich gefeiert! War Thema in Teamleiterrunden und schwamm mit auf diesem Flow.
Bis…ja bis mein Körper anfing zu schreien! Anfangs hatte ich „nur“ Schmerzen in der rechten Hand. Eine Weile hatte ich versucht das Ganze zu ignorieren. Irgendwann konnte ich das nicht mehr. Die Schmerzen wurde immer schlimmer und immer häufiger. Anfang 2015 war ich dann damit das erste Mal beim Arzt. Immer schauten die Ärzte nur auf die austretende Stelle und so begann ein 2 Jahre dauernder Arzt-Marathon. Orthopäde, MRT, Knochenszintigramm, Hand-Chirurg, Rheumatologe. Ich war überall! Und keiner konnte, bzw. wollte etwas finden. In dieser Zeit hatte ich den ein oder anderen Zusammenbruch, da es mich zermürbt hat. Ich bildete mir die Schmerzen definitiv nicht ein. Im Februar 2017 brach ich dann komplett zusammen, da ich die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte. Ich wechselte den Hausarzt und fand endlich jemanden, der sich meine ganzen Befunde mal richtig anschaute. Schon 2015 im ersten MRT der HWS hatte ich 2 Bandscheibenvorwölbungen. Ich wurde erneut ins MRT geschickt und aus den 2 waren durch die Nichtbehandlung 4 Vorwölbungen geworden, die meine Schmerzsymptomatik auch erklärten. Endlich!!! Endlich hatte ich etwas in der Hand, womit ich etwas anfangen konnte.
Endlich hatte ich den Beweis! Und ich konnte ihn vorzeigen. Das ist etwas anderes als wenn Du „nur Kopf“ hast. Auch hier fiel ich wieder länger aus. 3 Monate war ich zu Hause. Bekam Krankengymnastik und musste meinem Körper Zeit geben. Das ist jedoch leichter gesagt, als getan. Dadurch, dass ich so lange auf der Suche nach einer Diagnose war, verlor ich mich selbst total darin. Der Schmerz an sich bekam bei mir eine übermächtige Rolle. Sobald ich morgens aufstand, hörte ich in meinen Körper hinein und ich fand immer irgendetwas, was schmerzte.
Normalerweise wird man dem Therapiestandart entsprechend zunächst medikamentös behandelt. Das war bei mir jedoch nicht ganz so einfach, da ich nicht alles an Wirkstoffen darf. Somit musste ich überwiegend ohne Schmerzmittel durch diese Zeit. Auch hier war es wieder so, dass nach kurzer Zeit keiner mehr mein wirkliches Empfinden hören wollte. Und da war sie wieder, die schwarze Gestalt, die langsam wieder über mich Besitz ergriff, ohne dass ich es wirklich merkte.
Anfang 2018 war ich dann erneut beim Radiologen, erneutes MRT der HWS. Ich hatte das Gefühl, dass sich etwas verschlechtert hatte, doch das MRT sprach eine andere Sprache. Der Radiologe sagte mir, dass meine Schilderung dem Befund nicht entsprechen würde. Die Vorwölbungen hatten sich zurückgebildet, doch Schmerzen hatte ich immer noch. Eine damalige Freundin meinte daraufhin zu mir, ob ich mich schon mal gefragt hätte, wo bei mir der innere Schmerz sitzt? Diese Aussage stellte alles auf den Kopf. Fortan beschäftigte ich mich sehr mit diesem Thema und versuchte für mich heraus zu finden, was damit gemeint sein könnte. Und nach ein paar Wochen kam ich auf die Antwort.
Fortsetzung folgt…